Wie die Möwe fliegen, wie wundervoll wäre das
Leider bin ich keine Möwe und besitze weder Flügel noch ein Fluggerät. Daher führte mich mein Wunsch, Krimi-Autorin zu werden, in die Niederungen der Beginnerin. Nichts als zu schreiben, meine uralte Sehnsucht. Nie gab ich auf. Zeitungsartikel, Fachartikel, Blogbeiträge, die Dissertation. Doch bisher nebenberuflich und ehrenamtlich. Bis ich mich mit 73 Jahren entschied, als Autorin in Vollzeit zu arbeiten. Zum ersten Mal schrieb ich einen Roman. „Chili sieht rot“ heißt er.
Eins ist klar. Wie einige Male in der Vergangenheit, lerne ich ein neues Metier. Eines, das mir täglich Freude beschert. Solange ich Band 2 schreibe. Denn Geschichten zu erfinden, steigert meine gute Laune.
Doch es gibt Wermutstropfen, die ein regelrechter Beruf mit sich bringt. Als Selfpublisherin kümmere ich mich nicht nur um den Text, sondern zusätzlich um alles, was ein Verlag tut: Cover erstellen, Gestaltung der Seiten im Buch, Lektorat und Korrektorat, Veröffentlichung, Marketing. Das source ich aus. Denn dafür bin ich kein Profi. Zum Glück gibt es genug Profis, die mich bei alldem unterstützen. Die für mich passenden Dienste, wie Lektoren und SP-Verlage herauszufinden.
LESUNGEN – weil Autoren nun mal lesen?
Die Lesungen, die ich in Berlin besuchte, langweilten mich. Lesen und verkaufen, mehr war nicht. Ich finde, dass Menschen, die sich für Bücher interessieren, selbst lesen können. Zu Hause, im Sessel, vielleicht mit einer Tasse Ostfriesentee oder einem Gläschen Prosecco. „Das ist doch viel gemütlicher, vor allem im Winter bei Eis und Schnee. Oder in der Sommerhitze“, dachte ich. „Leseratten wollen bestimmt mehr als eine >Vorlesung<.“
Ich erinnerte mich an die Veranstaltungen, neudeutsch: Events, die ich entwickelt und durchgeführt habe. War das ein Spaß. So sollten Vorlesungen sein: unterhaltsam, belebend, kommunikativ. Wie wäre es, eine Lesung auf einer Fahrt mit einem Krabbenkutter zu veranstalten? Gespickt mit Seemannsgarn und Musik? Oder idiese Variante: Ich bringe die Teilnehmer ins Gespräch mit mir und untereinander. Zu Themen des Romans. „Wie arbeitet die Polizei?“ „Warum beschreibe ich die Redaktion der Zeitung so viel freundlicher, als sie heutzutage ist?“
Wie alle Menschen verändere ich mich, je älter ich werde.
Woher die Geschichten kommen
Mit Freunden treffen, reden, sich umarmen. Mit meinem Mann Spaß haben. Kochen. Geschichten erfinden und aufschreiben. Austausch, mündlich wie schriftlich, vor Ort und auf LinkedIn. Dialoge faszinieren mich. Wer hört zu, wem? Wer versteht, was? Wer antwortet, wie? Und Wörter finden, die genau ausdrücken, was ich sagen will.
Dieser Fokus durchzieht alles, was ich je schrieb.
Der Umgang mit Gewalt. Antworten auf diese Fragen finden: „Wie hält man das aus? Wie lebt man damit weiter? Wie wird man trotz einem traumatischen Erlebnis glücklich? Wer ist betroffen, sagen wir, von einem Mord? Das Opfer? Klar, das weiß jeder. Und der Täter? Wer noch?“
In den Romanen der Reihe Chili, Crime und Meer sind viele Menschen betroffen. Nachbarn, Familienmitglieder, Zeugen, die Polizisten, Chili und ihr Mann Jan, Freundinnen und Freunde. Manchmal die ganze Stadt. Denn angesichts von Mord, Misshandlung, Entführung, Menschenhandel oder sexueller Gewalt empfinden viele Menschen ihr Leben bedroht. Unbewusst meistens. Man redet darüber, erregt sich, fordert Maßnahmen. Immer dann, wenn die Tat im Umfeld passiert ist. In der Stadt, im Umland oder an einem geliebten Urlaubsort.
Wie gehe ich mit Gewalt um?
Seit ich als Kind erleben musste, wie mein kleiner Freund mit verknoteten Lederriemen blutig geschlagen wurde, treiben mich die o. g. Fragen um. Ich konnte ihm kaum helfen. Mein Großvater, der Gemeindedirektor des Dorfes, veranlasste zwar von Zeit zu Zeit eine Entziehungskur für den Vater. Doch er kam zurück. Und trank weiter. Der Amtsrichter des Ortes bot der flüchtenden Ehefrau in schlimmen Nächten Unterkunft. Damals war die sogenannte Züchtigung der Kinder und der Frau rechtlich okay. Inzwischen haben Kinder und Frauen zum Glück Rechte. Gewalt in der Familie ist längst verboten.
Bremerhaven und Dorum – die ersten wichtigen Orte meines Lebens
Weiterfliegen und als Autorin ankommen
Ankommen ist ein Prozess. Nichts Endgültiges. Nichts ist statisch, alles bewegt sich und uns. Im Austausch zwischen mir und den gesellschaftlichen Veränderungen. Manchmal ist das schmerzhaft, manchmal glücklich. Insbesondere die Probleme der Coronazeit machten mir klar, dass Besitz (Beruf, Finanzen, Freunde) sich in Luft auflösen kann. Niemand besitzt etwas, nicht dauerhaft. Nicht über den Tod hinaus. Wir sind Teil dieser wunderbaren Erde. Wir werden geboren, verändern uns weiter, und sterben. Wie alles, was lebt. Daran ändert niemand etwas.
Die Zerstörung des Lebens auf unserem Planeten lässt uns das Prinzip von Leben und Sterben spüren. Wir können das Leben verlängern. Doch nur so lange, wie es Wasser gibt, wie die Luft und die Temperatur zum Leben taugen. Die Klimakrise spielt daher in den Kriminalromanen mit Chili Keller eine Rolle. Im Alltäglichen. In Bremerhaven, das ohne Deich gefährdet wäre. Noch halten sie. Seitdem die Sturmflut 1962 mich und meine Familie in Angst und Schrecken versetzte, fürchte ich Naturgewalt. Ich hoffe, wie alle Menschen, dass sie ausgerechnet mich und mein Zuhause verschont. Tja, das wird sie nicht. Die Klimakrise folgt ihrer Entwicklung. Verhandeln, wie in der Politik, lässt sie nicht mit sich.
Ich bin nicht perfekt. Du bist nicht perfekt. Niemand ist perfekt.
Mit Gewalt können wir gut umgehen, wenn wir mit der Jagd nach Perfektionismus, Ansehen und mehr Besitz als wir brauchen, aufhören. Okay, die eigenen Macken und Unzulänglichkeiten zu erkennen, tut weh. Deshalb können Sie hin wieder beim Lesen meiner Krimis lachen. Heiterer und schwarzer Humor balancieren Gewalt, Trauma und Lebensfreude aus.