Krabbenkutter

Krimi-schreiben​

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„Anne, wie kommst du plötzlich zum Krimi-schreiben?“​

„Auf Wegen. Ich erzähle es dir hier.“

Den Weg zum Krimi-schreiben hatte ich nicht geplant. Vermutlich begann er im Vorschulalter, als ich am Küchentisch, des Schreibens noch nicht mächtig, auf Butterbrotpapier kritzelte und anschließend den Anwesenden die Geschichte „vorlas“, die nur ich lesen konnte. Mit anderen Worten, ich war immer schon heiß aufs Geschichtenschreiben. Da ich Geschichten genauso sehr liebe, wie auch die Wissenschaft, war ich im Berufsleben fast immer umstritten, während der neun Jahre in einer Fachredaktion, an den Universitäten und in den Praxisfeldern. Die einen reagierten begeistert, die anderen rümpften die Nase. Zeitweilig nannte man mich „Grenzgängerin“, weil ich Forschungsergebnisse seit jeher praktisch anwenden wollte. Und es tat. Dazu gehörte vor allem eine für alle verständliche Sprache.

Wie kam ich zum Krimi?

Ich könnte behaupten, Corona war’s.

Doch das ist nicht wahr. Schon längere Zeit hatte ich die Nase davon voll, mich als Coach mit den hausgemachten Problemen von Unternehmen zu befassen. Die Shutdowns kamen mir gerade recht. Ich entschied vor ziemlich genau einem Jahr, auszusteigen und meinen ersten Krimi zu schreiben. Mir scheint der Kriminalroman dasjenige Genre zu sein, mit dem ich den gegenwärtig chaotischen Zeiten gerecht werden kann.

Ich muss erlebt haben, worüber ich im Krimi schreibe, was und wie ich erzähle

Erzählungen leben von Erfahrung, sich hineindenken und -fühlen. Innere Bilder von Krabbenkuttern, Grünstrand, Meeresleuchten, Gerüche des Meeres, plattdeutsche Kargheit im Gespräch stellten sich ein. So kam der Ort Bremerhaven ins Spiel. In der Nähe der Stadt bin ich aufgewachsen; viele Jahre lang habe ich zudem in dieser Stadt gearbeitet. Das ist zwar lange her, aber die Veränderungen lassen sich erkunden.

Wie stark sollte die Rolle der Polizei sein? Wollte ich einen Polizeikrimi schreiben? Oder sollten die Ermittler eine Nebenrolle spielen. Weil ich jahrelang im LKA geforscht hatte, fiel mir die Entscheidung schwer. Ich wusste so viel über die Arbeit der Ermittler und Ermittlerinnen; und ich fühlte mich ein wenig eitel. Letztendlich entschied ich mich aber für die Polizei in der Nebenrolle. Ein Ausschnitt zur Polizei:

„Heute herrschte zum ersten Mal, seitdem das Opfer gefunden worden war, ein Grund zu vorsichtiger Hoffnung, Dazu berechtigte der Fund des Forschungsbootes. Deshalb war ausnahmsweise der Leiter der Behörde, Jens Kaulsanger, erschienen. Holger Dittrichsen sollte über die Auswertung der entnommenen Indizien berichten. Diese sollten dann mit den bisherigen Erkenntnissen abgeglichen werden.

Entsprechend aufgekratzt fanden sich die Kommissarinnen und Kommissare ein. Im Stimmengewirr drangen einzelne Fragen und Vermutungen an die Ohren, bis sie von neuen Zurufen übertönt wurden.

„Meinst du, der Mord wurde auf dem Boot verübt?“  
„Ich glaub‘ nicht. Das Opfer lag ja im Wasser.“
„Ich bin mal gespannt, ob Holger uns wenigstens eindeutige Ergebnisse mitgebracht hat!“
„Ich sag dir eins, der Fall ist kalt, den kriegen wir nicht mehr, wirst sehen.“
„Nun warte doch erstmal ab, Mensch!“
„Das war ein Unfall, das sag ich dir.“ „Unfall durch Strangulation, mh, du bist ein Clown.“
„ … vielleicht hitziger Streit. Jedenfalls wüsste ich nicht, wer einen Wissenschaftler umbringen sollte.“

Rita Schmitt verschaffte sich Gehör, indem sie mit dem Teelöffel an ihre Tasse klopfte.

„Der Spekulationen sind nun genug. Beginnen wir mit der Arbeit. Holger, berichte du uns zuerst.“
Dittrichsen räusperte sich.
„Wie ihr wisst, haben wir gestern mit zwei Mann das Boot akribisch abgesucht. Die wissenschaftlichen Instrumente beweisen, dass es sich tatsächlich um ein Forschungsboot handelt.“

Allgemeines Gelächter.“

Die Menschen, Emotionen und Spannung

Die Hauptperson, wer sollte das sein? Ich schätze starke Frauen, daher wurde es natürlich eine Frau in den 40ern, mit Biss und Zweifeln, Chili Keller, Coach, verheiratet mit einem bekannten Künstler, zwei Kinder. Ich entschied, dass sie den Beruf wechselt und Polizeireporterin werden sollte. Warum nicht gleich? Weil Berufswechsel so schöne Konflikte hergeben.

Die Entscheidung für Chili als starke Persönlichkeit bewog mich, über eine Reihe Krimis mit ihr nachzudenken. Das führte dazu, Chili zukunftsfähig auszugestalten. Sie entwickelt sich eigenwillig weiter.

Höhen und Tiefen erzeugen Spannung. Also habe ich sie erdacht. Dazu gehören auch Orte und Communities, die der „normale Bürger“, wie es so schön heißt, meist nicht aus eigener Anschauung kennt. Ich schon, dank meiner Forschung in Mordkommissionen und anderen Kommissionen für Delikte am Menschen.

Spannung ergibt sich auch aus dem Zusammentreffen von Menschen aus verschiedenen Kulturen. Sei es aus dem Ausland oder aus heimischen Milieus. Also kreierte ich

Menschen, deren Gegensätze in der Begegnung interessante Verläufe nehmen.

Gewalt darf nicht fehlen. Mir war sofort klar, es ist diesmal ein Mord im maritimen Umfeld.

Weitere Gewalttaten während der Ermittlung, Zufälle und die Frage nach Gut und Böse entfalten sich im Verlauf des Romans.

Krimi-schreiben, wie geht das?

Natürlich las ich Bücher mit Ratschlägen, wie „man“ schreiben sollte. Funktioniert für mich nicht. Denn die Figuren entfalteten ein eigensinniges Eigenleben. Morgens beim Aufwachen wurde plötzlich klar, wie es weitergehen sollte. Sie sagten mir quasi, wie sie handeln würden. Damit konnte ich meinen geplanten Plot teils knicken. Und staunen, wie eins aufs andere folgte. Kreativität lässt sich nun einmal nicht planen.

Aber sie braucht einen Rahmen, den Rahmen der Sprache. Mein Glück ist, dass ich mich

ist, dass ich mich mein Leben lang mit Sprache beschäftigt habe. Und dass ich die Grenzen und Möglichkeiten der verschiedenen Charaktere kenne, aufgrund meiner Arbeit mit Menschen.

Einen weiteren Rahmen bilden die Themen. In jedem Krimi dieser Reihe greife ich die Thematiken aktueller Krisen auf. Und zwar auf der Ebene von Einzelpersonen, Unternehmen, Traditionen, Familien, Freunden usw. Gespräche, Gefühle, Meinungen, Gewalt, Freude, Lust, keine Analysen.

Die berühmte Blockade, auch beim Krimi-schreiben

Ja, die erwischte mich auch. Nachdem meine Mutter Anfang des Jahres starb, ließ ich im Schreiben locker. Ich reiste in meine Heimat nahe Bremerhaven, bekam Sehnsucht nach dem Meer, und setzte sie um, indem ich mit meinem Mann dorthin zog. Zunächst war ich mit all den Aktivitäten befasst: Hausstandsauflösung des Elternhauses, Treffen mit den Geschwistern und gemeinsamer Urlaub, Abwicklung unserer langjährigen Geschäftsverbindungen, Wohnungssuche und Umzug. Als ich dann endlich Ende Juni 2022 im neuen Zuhause ankam, fiel mir einfach nichts mehr ein. Ich schrieb wider besseres Wissen furchtbar schlechten Text.

Inzwischen stellen sich meine morgendlichen Eingebungen wieder ein; ich löschte den Quatsch, der ca. 40 Seiten einnahm, und machte weiter. Es gibt nur noch wenig zu tun. Alles überschaubar.

Machst du alles allein?

Natürlich nicht!

Zu meinem Glück habe ich so freundliche wie kritische Helfer gefunden. Meine Schwester, bis zur Rente war sie Oberstufenlehrerin für Deutsch in Norwegen, hat Korrektur gelesen und mir wertvolle Hinweise gegeben. Uwe Giese, Grafiker und Gestalter der Bücher der Edition Humanistische Psychologie, bringt auch meinen Krimi in Form. Seine Kritik reicht er mir unverblümt rüber. Wir kennen uns seit mehr als 20 Jahren und haben viel und gut zusammengearbeitet. Mein bester Kritiker ist aber wohl mein Mann Günter Hahn. Er kennt mich einfach zu gut.