Wie ich schreibe

Wie ich schreibe

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„Du musst mindestens zwei Bücher pro Jahr schreiben! Besser drei oder vier.“

Warum? Die Antwort ist die gleiche wie in jedem Business: „Sonst wirst du abgehängt. Glaube nicht, dass deine Leser warten, bis du in die Puschen kommst. Sie finden nämlich jede Menge spannende Krimis in den Buchhandlungen.“ Und was dann? „Sie vergessen dich und Chili.“

Warum ich dazu Nein sage

Grundsätzlich gebe ich nichts auf Befürchtungen. Sie sind nicht die Realität. Wer meine Bücher lesen mag, kauft sie. Wem sie schnuppe sind, tut das keinesfalls. Egal, ob ich den Markt flute oder nicht.

Warum ich mir Zeit nehme. Für jeden Band dieser Reihe.

1.     Ich will, dass die Geschichte in sich stimmig ist. Deshalb denke ich vorab und während des Schreibens darüber nach. Unterstützen Spannung und Entspannung den Lesefluss?

2.     Die Protagonisten entwickeln sich in jedem Band weiter. Wodurch? Infolge der Verwicklungen, Probleme und Lösungen der Geschichte. Auf ein und dasselbe Ereignis reagieren Menschen verschieden. Die Reaktionen müssen zur jeweiligen Persönlichkeit passen.

3.     Seitdem ich schreibe, suche ich pingelig nach den richtigen Worten. Treffen sie genau das, was ich sagen will?

4.     Recherche. Zwar erfinde ich die Geschichte von A bis Z. Dennoch soll sie eine nachvollziehbare Wirklichkeit treffen. Das scheint mir mit CHILI SIEHT ROT gelungen zu sein. Sogar meine Idee, dass die Krabbenfischerei mit Schleppnetzen verboten werden sollte, trifft unverhofft auf das jetzt bekanntgewordene Vorhaben der EU, sie zu verbieten.

5.     Korrektorat und Lektorat sind nicht nur kostspielig, sondern zwingend.

So denke ich eben nicht. Natürlich kenne ich Nase-rümpfende Bildungsbürger, die es ablehnen, einen Kriminalroman auch nur anzufassen. Doch in jedem Genre werden sowohl brillante Bücher geschrieben als auch solche, die eine vielleicht gute Geschichte mit einem armen Wortschatz verhunzen.

Der Wert eines Buches hängt weder vom Genre noch von der Güte eines Verlags ab. Die Qualität bewirkt der Autor oder die Autorin. Mich sehe ich im Mittelfeld. Deshalb professionalisiere ich mich weiter. Weil ich meine Schwächen kenne.

Meine Lust am Schreiben ist mein größtes Manko

Ich liebe es zu fabulieren, Geschichten zu erfinden. Erzählungen, die meine Sicht der Welt und der Menschen einbinden. Kann solche Literatur allein auf Träumen vom ungetrübten Leben basieren? Nein! Die Aufgabe verlockender oder besänftigender Bilder ist eine andere: Sie balancieren die raue Seite der Existenz, die ebenfalls erzählt werden will, ja, muss.

Die Welt ist zerstritten. Staaten führen Krieg. Krisen erschüttern die Menschen weltweit. Maßnahmen der Regierungen zerstören die Träume der Bürger. Lebenspläne zerfallen. Verzweiflung und Gewalt drängen ins Öffentliche. Dies allen mitzuteilen, bietet die Chance, einander zu unterstützen und den Schmerz zu lindern. „Es wird wieder gut“, ist kein dummer Spruch. Denn tatsächlich werden manche Träume wahr. Tatsächlich lassen sich Lösungen finden.

Romane erzählen vom Leben an Orten. Sie nehmen eine Perspektive von innen her ein. Sie schildern, wie Menschen auf Gewalt, die in ihre Welt eindringt, reagieren. Dies ist, was gute Kriminalromane miterleben lassen. Darum bemühe ich mich.

Wie bekommt man die Gegensätze unter einen Hut?

Am liebsten möchte ich immerzu meinem Einfallsreichtum folgen. Doch, wie dumm, ich kann es nicht. Da ist die andere Seite, die Stimme der Forscherin. Sie sagt: „Die Grundlagen für die Entwicklung deiner Geschichte müssen stimmen.“ Und dann wird diese Stimme fies: „Ansonsten, wenn du das scheust, schreibe doch Science-Fiktion-Romane. Da kannst du spinnen, soviel du willst. Viel Spaß im Land des Unwirklichen!“ Und dann grinst sie bösartig.

Leider hat sie recht. Recherche folgt bestimmten Abläufen, die dem lustvollen Fabulieren widersprechen, was ich nicht so gerne mag. Das eine ist Strategie, das andere spontane Kreation. Manchmal verliere ich meinen Spaß und bleibe im Gegensatz hängen. In CHILI SIEHT ROT musste ich deshalb viele Seiten streichen und neu schreiben. Dieses Ringen um die Verbindung von fantasievollem Erzählen und fachgerechter Recherche braucht Zeit. Denn es wäre dumm, beispielsweise die Abläufe einer Mordermittlung ausschließlich der Fiktion zu überlassen.

Dabei lässt sich beides leicht in Einklang bringen: Schreibe das sachlich Notwendige, als wäre es eine erfundene Geschichte.

Ein Autor schreibt nur so stimmig, wie er sich selbst versteht

Also ist es klar, dass ich diese beiden Seiten kreativ miteinander verbinde. Das scheint mir im ersten Band der Reihe CHILI, CRIME UND MEER gelungen zu sein. Jedenfalls bekomme ich positive Rückmeldungen von Leserinnen. Zum Beispiel diese:

„Endlich mal alles drin, Feminismus, heterosexuelle Beziehungsfragen, Lesben, lesbische Lebensfragen, Gesellschaft mit und ohne Homophobie, Entwicklungen durch alle gesellschaftlichen Zusammenhänge, Solidarität, Überraschung vor anderen neuen Lebenswelten, keine Bewertung, Krisen, Auflösungen … und Fisch, Krabben lecker Fressen. Also ich finde, das ist ein Wohlfühlroman mit vielen Kompetenzebenen. Literatur für den Tag mit Lebensfreude, ohne dass die Welt und die Qualitäten des Miteinanders vergessen oder verwaschen werden. Solche Bücher lese ich sehr gerne. Richtig gute Literatur eben.“

Ute Braun, Berlin

Die Feedbacks sagen mir noch etwas, worüber ich bisher nicht nachgedacht hatte: Ich schreibe vor allem für Frauen. Das ist sicher selbstverständlich. Denn ich bin eine Frau. Ich kenne mich mit weiblichen Belangen aus. Frauen sind verschieden, sie handeln widersprüchlich, liebenswert, böse, verächtlich, mitfühlend, stark und schwach. Sie wehren sich gegen Vorurteile und Mobbing. Sie trainieren Kampfsport, um sich gegen Angriffe zu verteidigen. Sie lieben Schminke, Schlagsahne und erotische Situationen. Sie reagieren auf Kränkung wütend, empört und strategisch. Sie pflegen Freundschaften. Sie handeln sozial und egoistisch. Sie setzen sich auf unterschiedliche Weisen durch.