Streit

Harmonie um jeden Preis? Nicht mit Chili.

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Harmonie und Streit oder …

Die Familie trägt mit? „Nein“, sagt Jan, „die Familie REDET ein Wörtchen mit.“

„Die Familie trägt mit!“ So lautet ein geflügeltes Wort in den Mordkommissionen. Chilis Mann Jan teilt diese Auffassung hinsichtlich des beruflichen Wechsels seiner Frau nicht: „Die Familie redet ein Wörtchen mit.“ So sieht er das. Vom psychologischen Coaching zur Polizeireporterin? Nein, dieser berufliche Umstieg leuchtet ihm nicht ein. Mehr noch: Er ist nicht einverstanden. Ungeachtet dessen hat Chili der NordNordWest-Post ihre Mitarbeit zugesagt und einen Termin für den schriftlichen Vertrag verabredet.

In Harmonie vor dem Abendessen – jeder für sich

Chili: Nach ihrem Interview mit dem Mann, der den Toten auf dem Deich fand, kam Chili guter Dinge nach Hause. Das Gespräch war gut gelaufen. Beschwingt fuhr sie anschließend in den Fischereihafen und kaufte Fisch. Sie war mit Kochen dran und freute sich auf ein gemütliches Abendessen mit der Familie.

Jan: Die ganze Zeit schon nagte an Jan dieser Jobwechsel seiner Frau. Seine Sorge um Chili ließ ihm keine Ruhe.

Tischgespräch mit Konfliktfaktor

(Auszug aus dem Krimi)

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„Was ich nicht begreife, ist, warum du dich unbedingt in solch eine abwegige Geschichte reinhängen musst. Coaching ist doch viel angenehmer. Du hilfst Menschen, zufrieden zu werden und ihr Leben netter zu gestalten. Warum, zum Teufel, stehst du diese Durststrecke jetzt nicht durch? Das ist doch gar nicht deine Art, plötzlich alles hinzuschmeißen! Und noch dazu in derart Unerfreuliches einzutauschen!“

Chili bemühte sich, ruhig zu bleiben. Tief durchatmen, nachdenken und erst dann …

„Es geht doch nicht darum, irgendeine Durststrecke durchzustehen. Erstens dauert diese Durststrecke jetzt bald zwei Jahre. Und zweitens ist Coaching längst nicht so angenehm wie du zu glauben scheinst. Meine Klientinnen wurden gemobbt! Weißt du, was das heißt? Ich sag‘s dir: Es bedeutet den Versuch, ihre Identität zu zerstören. Eine Frau unterlag einem Tötungsversuch im Job, stell dir vor. Sie überlebte nur knapp. Eine andere musste mit ansehen, wie ihr Kollege erschossen wurde. Und ein weiterer … “.

„Hör auf, das ist ja schrecklich! Chili, warum hast du mir das nie erzählt? Ich hätte dich doch trösten können.“

Chili starrte Jan fassungslos an.

„Aber ich h a b e dir erzählt, dass meine Kundinnen ein schweres Schicksal hatten. Schließlich bin ich für die Arbeit mit Psychotraumata ausgebildet.“

Julia (Jans Schwester) guckte von einem zum andern.

„Vielleicht ist es an der Zeit, dass Ihr Euch mal aussprecht. Ich räum‘ hier jetzt ab und bringe Mia ins Bett. Im Kühlschrank gibt es noch Weißwein und Prosecco.“

Jan fuhr sich mit der rechten Hand über die Augen. Dann streckte er sie aus und legte seinen Arm um Chilis Schulter.

„Tut mir leid, Chi, vielleicht habe ich dir wirklich nicht zugehört.“

*****

Er stand auf, holte zwei Weingläser aus dem oberen Küchenschrank und den Chardonnay aus dem Kühlschrank. Julia hatte inzwischen das Geschirr in die Spülmaschine geräumt und die Küche verlassen. Jan zog seinen Stuhl näher zu Chili heran, setzte sich und schenkte etwas Wein in die Gläser.

Dann reichte er ihr eins und stieß es mit seinem leicht an.

„Lass uns einfach reden. Diese Arbeitsprobleme und plötzlichen Änderungen müssen dich doch belasten. Sag es mir, wenn ich unrecht habe. Aber du wirkst in letzter Zeit so illusionslos und verschlossen. Wenn du mich immer noch als deinen Mann akzeptierst, warum sprichst du nicht mit mir über deine Sorgen?“

Chili nahm einen großen Schluck vom Wein und streckte ihre Beine aus. Jetzt würde es harmonisch werden, oder?

„Ich weiß nicht, mir schwimmen gerade alle Felle weg. Das krieg ich nur gebacken, wenn ich kämpfe, verstehst du? Wenn ich kämpfe, für mich, dann fühle ich mich besser.“

„Das musst du doch nicht so allein tun, wie heimlich. Ich kann dir helfen, wir können dir helfen. Vor allem macht mir Sorgen, dass du von jetzt auf gleich Reportagen über Kriminalität schreiben willst. Das ist verdammt gefährlich. Du könntest ins Visier von Straftätern geraten. Ich mag gar nicht daran denken.“

Jan leerte sein Glas.

Chili stutzte: „Ins Visier von Ganoven? Wie das? Ich bekomme die Informationen direkt von der Kripo und schreibe die Artikel auf dem Laptop. Fertig. Was soll daran gefährlich sein?“

Chili trank auch aus und holte die Prosecco-Flasche aus dem Kühlschrank.

„Das ist ein Thema, das mehr Alkohol verträgt“, verkündete sie.

Jan nahm ihr die Flasche ab, öffnete sie und goss ihr und sich selbst ein Glas Prosecco ein, prostete ihr zu und meinte:

„Sei nicht blind, nur weil du es unbedingt willst. Sag mir, warum du derart auf stur stellst. Ich will dich verstehen können. Gib mir bitte eine Chance dafür.“

Chili schluckte. Er sprach einen wunden Punkt an. Es war schon immer so, dass sie sich wie in die Enge getrieben fühlte, wenn sie ganz dringend etwas wollte. Wie damals mit sieben, als sie unbedingt – mit Fußaufstampfen – bei den Jungs mitspielen wollte. Ein bisschen war es jetzt auch so. Als würde ihr das jemand verweigern können. Als wollte Jan ihr verbieten, den Reporterjob anzunehmen. Nein, das konnte er nicht.

„Jan, es tut mir leid, immer fürchte ich, dass du mir etwas verbieten willst. Ich weiß, dass das nicht dein Stil ist. Lieber würde ich mich bei dir anlehnen, aber es will mir nicht gelingen. Dabei …“.

Chili sah Jan an, Jan sah Chili an. Und dann nahm er sie in seine Arme.

„Vergiss nie, dass ich dich liebe und für dich da bin“, flüsterte er ihr ins Haar.

Das Gespräch dauerte insgesamt zwei Gläser Weißwein und eine Flasche Prosecco. Jedenfalls endete es um 23 Uhr 34 damit, dass Jan zwar Chilis Erfahrungen mit belastenden Coachingsitzungen besser verstehen konnte. Dennoch wollte er ihren Berufswechsel nicht akzeptieren.

Er selbst malte seit jeher Bilder, die den Menschen etwas gaben, etwas Positives. Er schuf sinnlich anmutende Skulpturen, die einem, wenn man sie berührte, wohlige Schauer über den Rücken jagten. Chilis Entscheidung, sich mit Mord und Totschlag beruflich zu befassen, blieb ihm vollkommen unverständlich. Nach wie vor war er nicht damit einverstanden. 

Chili verstand, dass er sie dennoch liebte. Sie liebte ihn genauso. Und sie blieb bei ihrer Entscheidung, zumal es sich ja nur um eine Aushilfstätigkeit handelte, wie sie wiederholt betonte.

(Auszug Ende)

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War die Sache nun klar zwischen Jan und Chili? Natürlich nicht. Er war nicht einverstanden. Sie redete ihm und sich selbst ein, es würde doch bloß vorübergehend sein, zur Aushilfe. Solche Konflikte lösen sich nicht in einer Nacht auf. Das Gespräch zeigt jedoch, dass Verbundenheit und Liebe lebendig blieben. Ihr Konflikt trat demgegenüber in den Hintergrund. Er ruhte. Ungelöst.