Selfpublishing

Wer hat Angst vor Selfpublishing?

Veröffentlicht von

Ja, ich weiß. Ich spiele mal wieder bei den „Schmuddelkindern“ mit. Weder tu ich das, weil ich mir nichts zutraue. Noch, weil ich mies schreibe. Sondern aus Überzeugung, dass Selfpublishing den Weg in die Zukunft des Buches weist. Eigene Bücher selbst zu verlegen, ist ein junger Geschäftsbereich, eine clevere Art und Weise, sein Buch in den Markt zu bringen. Erst 1998 entwickelte Libri das Konzept “Book on Demand” dafür.

Selfpublishing: Ich schreibe, also will ich die Inhalte in der Hand behalten.

2011 hatte ich nichts anderes im Sinn, als mein damaliges Buchvorhaben in einem Publikumsverlag (wird gerne auch richtiger Verlag genannt) zu veröffentlichen. Eine Ratgeber-Autorin empfahl mich einer Literaturagentin. Doch ich erlebte, dass diese Buchverlage – und auch die Agentin sowie eine weitere Agentur – besser als ich wussten, was ich schreiben sollte. Mein Thema (Umgang mit der Gewalt bei der Polizei) wurde als schön erregend interpretiert. Das hatte ich allerdings nicht im Sinn. Mein Fokus war – und dazu hatte ich zuvor erfolgreich in einem Landeskriminalamt geforscht -, wie die Polizisten und Polizistinnen mit dem Unsagbaren umgehen. Im Sinne von Selbstwirksamkeit. Mit diesen Softskills scheiterte ich und kündigte den Vertrag.

Während der Pandemie dachte ich viel nach. Über mich und Schreiben. Ich erinnerte die Geschichten, die ich als Kind verschlang und teils selbst erdachte, wenn gerade kein Buch zur Hand war. Ich ging zurück zu den Erfolgen in meinem Berufsleben. Immer im persönlichen Kontakt mit Menschen. Ihnen zuhören, Mut machen, grenzerweiternde Übungen. Selbst in der Wissenschaft entschied ich mich für Qualitative (Feld)Forschung: narrative Interviews, Gruppengespräche, teilnehmende Beobachtung, Introspektion. All das führte zu vielen Gesprächen und dem methodischen Umgang mit meinen eigenen emotionalen Reaktionen auf die unglaublichen Straftaten, deren Folgen ich sah, roch und mit den Opfern empfand. 


Könnte ich das auch mit einem Buch erfolgreich umsetzen?

Inzwischen war ich Rentnerin. Die Pandemie wollte nicht enden. Wie ließe sich mit einem Buch Verbindung zu Lesern herstellen? Wie mit ihnen ins Gespräch kommen? Okay, man kann Lesungen veranstalten. Doch das war nicht das, was ich meinte. Das Buch als Dialog, das war es, was ich wollte. Denn in Dialogen wirken Emotionen.

Was lag näher, als ein Genre zu wählen, das Gefühle anspricht? Belletristik. Zusammen mit meinem lebenslangen Thema Umgang mit Gewalt und dem Dialog als Methode, wurde das Buch ein Kriminalroman mit vielen Dialogen. Inzwischen erfahre ich, dass Chili sieht rot den Leserinnen gefällt. Einige betätigen sich bereits als Botschafterin. Auch die Reporterin der regionalen Zeitung fand es spannend. Wir unterhielten uns zwei Stunden lang sehr angeregt. Die Reportage hat sie in der Pfingstausgabe des Sonntagsjournals veröffentlicht. Es ist definitiv ein Roman für Frauen. 

Selfpublishing ist den Kinderschuhen entwachsen


Natürlich fühlte ich mich anfangs unsicher. Doch jetzt sehe ich, wie richtig es war, den Krimi im Selbstverlag herauszubringen. Dafür ist allerdings mehr nötig, als ein Buch zu schreiben, wofür mich Tredition und ein Grafiker unterstützten.

Seit 1998 entstanden etliche Verlage, die fast alles, was man dafür braucht, anbieten. Den Druck, die Verteilung (Distribution) in alle Buchhandlungen, die Abrechnung der Verkäufe. Dazu bieten sie Gestaltung des Covers und des Textes, Korrektorat und Lektorat an. Auf Wunsch unterstützen manche das Marketing. Und die Tantiemen sind höher als bei herkömmlichen Verlagen. Wer sein Buch auch in der Autorenwelt anbietet, erhält zusätzlich sieben Prozent.

Alles, was ich als Autorin leiste, ist, ein gutes, lesbares Buch zu schreiben. Dass ich das Cover (mithilfe eines Grafikers) selbst gestalten kann, finde ich selbstverständlich. Ebenso entwickle ich meine Titel. Ich suche den Verlag aus und nicht der Verlag die Autorin, für jedes meiner Bücher.

Annefried Hahn

Während ich dieses Segment der Bücherwelt, das Selfpublishing, näher kennen lerne und mich ums Marketing kümmere, schreibe ich den zweiten Band der Reihe Chili, Crime und Meer. Es gibt noch keinen Titel. Der Plot steht im Wesentlichen, und ein erster Teil ist geschrieben. Ein kleiner Auszug (Rohfassung):


Das Handy. Wer wollte so kurz vor ihrer Abreise noch was von ihr? Sie zog es hinter dem Sofakissen hervor. „Moin, hier Chili Keller.“

Eine erregte Frauenstimme suchte Professor Dr. Julia Wolf: „Sie ist nicht zur Vorlesung erschienen. Und unsere Anrufe nimmt sie nicht an. Ihr ist doch hoffentlich nichts zugestoßen? Sie ist sonst immer pünktlich. Können Sie mir sagen, wo wir sie erreichen können? Es eilt!“

„Ähm, ich hab‘ keine Ahnung. Sie wohnt hier nicht mehr. Haben Sie es bei ihr in Speckenbüttel versucht?“

„Ja, natürlich! Dort meldet sich niemand. Wenn sie nicht in fünfzehn Minuten hier ankommt, muss ich die Veranstaltung absagen. Das ist noch nie passiert. Bitte sehen Sie doch mal bei ihr nach, Frau Keller. Nur damit wir sicher sein können, dass sie wohlauf ist.“

„Ach herrje, ich bin gerade auf dem Sprung in den Urlaub.“ Sie dachte nach. In zwei Stunden würde der Kutter in Lüttlum ablegen. Eigens, um sie und die Familie nach Amrum zu schippern. Es würde knapp zu schaffen sein, ganz knapp.

„Du meine Güte, ich fahre schnell hin.“ Chili schnappte sich ihre Tasche, warf das Handy hinein, holte die Wagenschlüssel heraus und lief durch den Garten ins Atelier, wo ihr Mann seine Malutensilien einpackte.

„Jan, ich muss weg. Julia wird vermisst; ich fahr‘ rüber zu Stefan. Bestimmt ist nichts passiert! Und sicher schaffen wir das Schiff noch.“

Seine Antwort hörte sie nicht mehr, so schnell peste sie zurück und ins Auto. Nach Verkehrsregeln stand ihr nicht der Sinn, weshalb sie dreimal ein wildes Hupkonzert auslöste. Es scherte sie nicht. Vor Stefans Grundstück parkte sie auf dem Gehweg und stürzte zur Gartenpforte.

„Moin Frau Keller! Warten Sie, gehen Sie nicht rein!“ Die tiefe Stimme der Nachbarin Frau Hartstengel klang gebieterisch, was sonst nicht ihre Art war. Irritiert blieb Chili stehen.

„Moin, warum denn? Warum wollen Sie nicht, dass ich da reingehe?“

„Weil ich was gesehen habe. Kommen Sie schnell zu mir rüber, und stellen Sie ihr Auto lieber bei uns in die Einfahrt.“

(…)

„Das muss unter uns bleiben. Versprechen Sie mir das?“ Jetzt flüsterte sie: „Es ist zu gefährlich.“

„Warum denn? Hat es was mit Julias Verschwinden zu tun? Sagen Sie mir bitte, was passiert ist.“

„Also, von Anfang an. Vor ungefähr einer Stunde liefen zwei Männer in dunklen Anzügen die Straße runter. Bei dieser Hitze! Das war schon komisch. Sie trugen große Sonnenbrillen, solche mit grüner Spiegelung. Beide bogen auf Stefans Auffahrt ein und schlenderten hinter das Haus. Was sie dort anstellten, konnte ich nicht sehen. Nur hören. Es knallte gehörig. Nach etwa einer halben Stunde, vielleicht auch etwas mehr, kamen sie zurück.“

Chili brach der Schweiß aus. Wie in einem schlechten Traum, dachte sie. „Haben Sie Stefan gesehen? Hat er heute schon das Haus verlassen?“

(…)

Oh je! Was kam zuerst? Die Polizei rufen. Und den Rettungsdienst. Und nichts berühren.

Chili atmete durch und erledigte die Anrufe. Wo war Julia? Mit dem Taschentuch in der Hand drückte sie gegen die Terrassentür. Sie gab nach. Mit einem Seufzer trat sie in die Wohnküche. Schritt für Schritt suchte sie das Parterre ab. Keine Julia.

 Langsam stieg sie die Treppe hinauf. Im ersten Stock lagen Schlafraum und Gästezimmer. Niemand darin. Jetzt noch das Bad. Sie drückte die Klinke hinunter und hielt den Atem an, zog die Tür auf. Es stank. Und jemand grunzte.

Da sah sie ihre Schwägerin in der Dusche kauern. Durchnässt. Gefesselt an Händen und Füßen, mit Klebeband, auch über dem Mund. „Julia, um Himmels willen! Warte, ich helfe dir!“

Chili hockte sich vor die Dusche und zog am Klebeband, mit dem Julias Beine zusammengebunden waren. „Auaa!“ Julia krümmte sich nach vorn. Ihr rannen Tränen über die Wangen. Chili riss das Band vom Mund ab.“


Bis zur Veröffentlichung des ersten Bandes verließ ich mich ausschließlich auf den Selfpublisher-Verlag Tredition. Dort lief nicht alles glatt. Daher wünschte ich mir mehr Rückhalt durch Austausch mit Erfahrenen in diesem Metier. Im Internet fand ich Blogartikel mit Berichten zu einzelnen Verlagen. Von dort gelangte ich weiter zu Autorenwelt, wo es u. a. ein Forum gibt. 

Der Selfpublisher Verband

Auf der Website der Autorenwelt entdeckte ich schließlich den Selfpublisher Verband. Er hat sich der Professionalisierung und Qualität selbstverlegter Bücher verschrieben. Die Website bietet alles, was Anfängern und Profis weiterhilft. In der Akademie finde ich Videos zu: Buch planen und schreiben, Schreiballtag, Überarbeiten des Manuskripts, Buch veröffentlichen, Rechtliches und Buchmarketing.

In einem Onlinetool kann ich mich mit anderen Autoren austauschen, schriftlich, per Video oder Mikrofon. Dort treffe ich Buchblogger, denen ich mein Buch vorstellen kann. Und vieles mehr.

Der Verband vertritt Selfpublishing und ‚seine‘ Autoren auf den Buchmessen in Deutschland und Österreich. Mein erster Krimi wird zur Buchmesse in Frankfurt a. M. mitgehen. Jährlich zur Leipziger Buchmesse verleiht der Verein den Selfpublisher Preis für drei wichtige Buchgenres. Ich werde selbst in der Vorjury für Sachbuch & Ratgeber mitarbeiten. Und natürlich reiche ich Chili sieht rot für Belletristik ein.

Viermal im Jahr erhalte ich die Verbandszeitschrift Selfpublisher mit geballtem Knowhow. Meine erste Ausgabe liegt auf dem Schreibtisch. Sie sagt mir: 

Dieses Projekt, das du begonnen hast, ist spannend. Lerne die Möglichkeiten noch besser kennen und anwenden. Und habe Spaß daran!

Annefried Hahn